Ein Brief, eingeschlossen in einer versiegelten Flasche, die ich zwischen unzähligen Glasscherben 1980 an der Kanalküste südlich vom Calais in Frankreich zufällig fand, inspirierte das 1989 realisierte Projekt KUMULATOR. (Der im Englisch verfaßte Brief stammte aus der Feder eines polnischen Matrosen, der auf dieser Weise Kontakt aufnehmen wollte. Unsere Korrespondenz hielt auch über die ersten Jahre der Militärdiktatur in Polen an.)
Der KUMULATOR war ein Teil des Symposiums Kunst im Container, das durch den Kunstverein Freiburg in Breisgau veranstaltet wurde. Dabei sollte nach der Vorstellung der Veranstalter der langweilige Raum eines normierten Bürocontainers in einen mobilen Ausstellungsraum für Kunstpräsentation umfunktioniert werden.
Gleichzeitig sollte der Container zu einer künstlerischen Präsentation vom Raum an sich werden.
Die Grundidee meines Projektes war es den Innenraum des mir zugeteilten Bürocontainers mit Gedanken und Gefühlen „aufzuladen”. Briefe, Gedichte, Zeitungsausschnitte, Zeichnungen, sowie unterschiedliche Objekte sollten als Produkte des menschlichen Geistes in Glasflaschen als Flaschenpost eingeschlossen und im
KUMULATOR als Gesamtheit präsentiert werden.
Während des vierwöchigen Symposiums war die Freiburger Bevölkerung aufgerufen sich an diesem Projekt aktiv zu beteiligen indem sie präparierte Flaschenpostobjekte mit „Inschriften” zum Standort des Containers am Stühlinger Kirchplatz bringen sollte.
Zu Tausenden sollten diese Objekte, vom Boden bis zur Decke, zwischen einem U-förmigen Stahlgitter und den Wänden des Containers „kumuliert” werden. Nur ein relativ schmaler Gang führte von der Eingangstür in das Innere des Containers.
Durch das „Aufladen” der Flaschen in den Container sollte gleichzeitig ein Raum entstehen, dessen optische Wirkung vor allem durch den Inhalt und die Farbe der Flaschen, bestimmt werden sollte. Das Tageslicht konnte sie durch das Containerfenster durchleuchten.
Am Ende der Ausstellung, drei Monate später, sollte die Flaschenpost nach dem Zufallsprinzip an die Bevölkerung wieder verteilt werden.
Immerhin gelangten auf diese Weise etwa 500 Flaschenpostsendungen in den Container. Soweit es beim Einlagern von außen erkennbar war, reichte der Inhalt der Flaschen von schriftlichen Mitteilungen und Zeichnungen bis zu plastischen Objekten. So beinhaltete der gläserne Korpus z.B. auch ein Papierschiffchen, das im Wasser schwamm, ein bespieltes Tonbandknäuel, dessen Windungen an die Gehirnstruktur erinnerten und sogar eine hölzerne Kleinplastik des Bildhauers Peter Hauck.
Die 500, meistens von Kindern und Frauen gespendeten Objekte reichten nicht aus, um das Konzept des farbigen
mit Gedanken und Gefühlen gänzlich angefüllten Raumes verwirklichen zu können. Deshalb wurden zusätzlich zu den 500 Flaschenpostobjekten weitere 8000 leere Flaschen im Container eingelagert, die kurzfristig von einem Flaschenhersteller gespendet wurden.
Die veränderte Situation brachte es mit sich, daß das Raumkonzept zum Schluß teilweise weiter verändert werden mußte: Hinter dem Gitter, links des Gangs, wurde der Raum nicht wie vorgesehen mit Flaschen gefüllt.
Stattdessen entstand in diesem Bereich ein neuer, begehbarer, bleigrau gefaßter Raum, in den ein grauer Hocker hineingestellt wurde. In dieser „Freiburger grauen Ecke” mußte sich der Besucher hinter dem Gitter sitzend zuerst an das Licht und die Stille im KUMULATOR gewöhnen. Aus der kontemplativen Ruhe wurde er sporadisch durch das Klirren zerberstender Glasflaschen herausgerissen.
Diese Geräusche, die zuvor in einem Altglascontainer aufgezeichnet worden sind, kamen aus drei im KUMULATOR unsichtbar installierten Lautsprechern.